Renaturierungspraxis

Aus Tar Sands-Kampagne
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Suncor, eines der wichtigsten Tar Sands-Unternehmen, teilt auf seiner Internetseite mit, dass es seit dem Beginn seines ersten Tar Sands-Betriebs 1967 schätzungsweise 21.690 Hektar Land beeinträchtigt hat. Bis Ende 2013 seien 1.708 Hektar, etwa 8% der zu diesem Zeitpunkt betroffenen Fläche, renaturiert worden, wobei das Unternehmen im Kleingedruckten einräumt, das es sich dabei nicht um offiziell zertifizierte Renaturierungen handele.[1] Die rechtlichen Anmerkungen machen dann deutlich, dass Suncor den Begriff "renaturiert" nach eigener Definition einsetzt[2]. Diese klingt nicht schlechter als das Original im Gesetz, aber bleibt ebenso vage. Berechnungen des Pembina Institutes auf der Datenbasis der Provinzregierung ergaben, dass 2013 lediglich 0,15 % der von der Tar Sands-Industrie beeinträchtigten Flächen die Kriterien für das Renaturierungszertifikat erfüllten - die einzige Fläche mit Zertifikat ist Syncrudes etwas mehr als 100 Hektar großes "Gateway Hill"-Projekt[3].

Wie wenig die praktische Renaturierung mit "Natur" zu tun hat, zeigen von der Tar Sands-Lobby angepriesene Modellprojekte, wie das der Firma "Imperial Oil", wo dem Oberboden Kohle beigemischt wird, was den laut Unternehmen normalerweise hunderte Jahre benötigenden Entwicklungsprozess dieser Bodenschicht durch Aktivierung von Mikroorganismen und Nährstoffspeicherung unterstützen soll.[4] Was in der industriellen Landwirtschaft möglicherweise als interessante Forschung betrachtet würde, ist bei der vorgeblichen Wiederherstellung des zerstörten Ökosystems ein Symptom eines unmöglichen Ansatzes. "Diese Feldtests stellen die letzte Forschungsphase von zehn Jahren Forschung dar", schreiben die Lobbyist*innen von "Oilsandstoday", "die demonstrieren soll, dass es möglich ist, aus Unterboden Mutterboden zu machen, der genau so gute oder bessere Eigenschaften für den Anbau von Kulturen hat, als natürliche Muttererde"[4].

In der Tar Sands-Industrie gibt es einige grundsätzlich unterschiedliche Renaturierungsfelder: die Tagebau-Restlöcher (oder vielmehr gigantischen Kraterlandschaften einer Ausdehnung, die vom All aus sichtbar ist), die Tailings Ponds (Absetzbecken, in die die teils toxischen, auf jeden Fall ölhaltigen, Abwässer entsorgt wurden) und die diversen von vielfältigen Industrieanlagen bedeckten Hauptstandorte der Unternehmen.

Tailings Ponds-Renaturierung

Die Canadian Association of Petroleum Producers erklärt selbst, dass ihre Tailings Ponds gewaltig sind (mehr als 170 km²[5]) und die Landschaft beeinträchtigen. Die feinen Partikel (Tailings) in den Abwässern brauchen viele Jahre, bis sie sich am Boden abgesetzt haben.[6] In der Zwischenzeit sickern die belasteten Wässer ins Grundwasser und in die nahen Flusssysteme - die Tar Sands-Abbaugebiete befinden sich in einer Region mit unzähligen Flüssen, Bächen, Mooren und anderen Arten von Feuchtgebieten. Die Abwässer kommen aus der Behandlung der Tar Sands und enthalten die Reste von allem, was in den Fabriken an Zusatzstoffen beigemischt wurde, aber auch den Anteil an Bitumen, der nicht vollständig extrahiert werden konnte[5]. Da die Tailings Ponds nicht vollständig abgedichtet sind, sickern täglich Millionen Liter der Flüssigkeit in die Natur und werden dort schnell in den Feuchtgebiets-Ökosystemen verteilt.

Nachdem sich die Schwebstoffe abgesetzt haben, erläutern die Industrievertreter*innen, wird der Tailings Pond trocken gelegt.[6] Ein Teil des entzogenen Wassers wird in die weitere Ausbeutung des Untergrunds geleitet,[6] was hinsichtlich des enormen Wasserverbrauchs dieser Industrie nur einen Tropfen auf den heißen Stein bedeutet. Im Anschluss wird die Oberfläche nachgeformt, Erde aufgeschüttet und Anpflanzungen vorgenommen[6]. Das ist kurz und knapp gesagt, und beschreibt auch die Oberflächlichkeit der "Renaturierung", wie sie hier erfolgt, aber auch wie wenig Verständnis für komplexe ökologische Systeme in der Ölindustrie am Werk ist.

Als Beweis ihres verantwortungsvollen Umgangs mit der ihnen anvertrauten Natur tragen die Ölindustrie-Lobbyist*innen vor, dass sie sich um eine "Verkleinerung der Tailings Ponds-Flächen" sowie um eine "beschleunigte Renaturierung" bemühen. Als schönes Beispiel wird Shell's "Albian"-Tar Sands-Projekt benannt, wo die Tailings nun mit weiteren Zusatzstoffe versehen werden, um Wasser zu entziehen. Oder auch der Einsatz der berüchtigtigten CCS-Technology beim "Horizon"-Tar Sands-Projekt der Firma Canadian Natural Resources Limited, wo in der Fabrik produziertes CO² aufgefangen und den Tailings beigesetzt wird, um chemische Reaktionen auszulösen, die die Schwebstoffe binden und den Kohlenstoffdioxid solcherart entsorgen sollen.[6]

Noch dreister und absurder betreibt die Regierung Albertas selbst die Verharmlosungspropaganda für die Tar Sands-Industrie. In einem Flyer behauptet sie, dass sich die Schwebstoffe nach nur "3-5 Jahren" abgesetzt haben und die künstlichen Tailings Ponds bereits nach sechs Jahren zu funktionierenden Feuchtgebieten umgewandelt würden. Tailings Ponds werden hier als "sichere Alternative" gegenüber der direkten Freisetzung der Abwässer in den Wasserkreislauf bezeichnet. 90 % des Wasserbedarfs der Tar Sands-Anlagen würden durch die Tailings Ponds gedeckt.[5] Zuletzt die unverschämte Falschaussage, dass "umfangreiches Monitoring keinerlei Auswirkungen von Tailings Ponds auf Oberflächengewässer oder trinkbares Grundwasser festgestellt" hätten[5] - wo doch die Industrie selbst sich seit Jahren gegen die Vielzahl umfassender kritischer Studien rauszureden versucht, die derartige Freisetzungen dokumentiert haben.

Als "aggressive Kriterien" bezeichnet die Propaganda-Abteilung der Regierung in oben genanntem Dokument ihre Vorgaben an die Industrie "die Abwässer zu reduzieren und Termine zur Schließung und Renaturierung der Becken zu benennen, Planungen zur Eindämmung des Ansteigens flüssiger Tailings bis 2016 umzusetzen (Anmerkung: das tut die Industrie sowieso und hat selbst angeregt diese Forderung zu stellen) und ab 2016 dann genauso viele Abwässer zu behandeln wie gleichzeitig produziert werden".[5] Am Rande verweist das Flugblatt auch auf sogenannte "Altlasten-Tailings Ponds"[5] - ein netter Weg nur die neueren Absetzbecken den achsostrengen Kriterien zu unterwerfen und die älteren, die ebenfalls von der Industrie verschuldet wurden als "Altlasten" einer Sonderbehandlung zu unterwerfen.

Um Wasservögel vom Landen in den Tailings Ponds abzuhalten, werden die Unternehmen verpflichtet "Abschreckungssysteme" zu installieren.[5] Wie wenig das nützt, wissen wir von den Propangas-Schussanlagen,[7] die zu Beginn dieser Artikelserie benannt wurden. An dem Imagewashing für die Ölindustrie ist scheinbar auch die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren beteiligt, die in einer von der Provinzregierung mit 32 Millionen Kanadischen Dollars gesponsorten Forschungspartnerschaft zu "Sauberer Energieerzeugung mit Schwerpunkt auf Ölsande" benannt wird[5].

Weitere Renaturierungsvorhaben


  1. http://sustainability.suncor.com/2014/en/environment/reclamation.aspx - gesichtet 14. Februar 2015
  2. http://sustainability.suncor.com/2014/en/legal-notice.aspx#reclamation - gesichtet 14. Februar 2015
  3. http://www.pembina.org/oil-sands/os101/reclamation - gesichtet 14. Februar 2015
  4. 4,0 4,1 http://www.oilsandstoday.ca/topics/RestorLand/Pages/default.aspx - gesichtet 14. Februar 2015
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 5,4 5,5 5,6 5,7 http://www.oilsands.alberta.ca/FactSheets/FS-CES-Tailings.pdf - gesichtet 14. Februar 2015
  6. 6,0 6,1 6,2 6,3 6,4 http://www.capp.ca/environmentCommunity/land/Pages/TailingsPonds.aspx - gesichtet 14. Februar 2015
  7. Joyce Hildebrand: Reclamation Illusions in Oil Sands Country; Alberta Wilderness Association; Juni 2008
    http://albertawilderness.ca/download/file/fid/1210 - gesichtet 14. Februar 2015


Diese Seite ist ein Auszug einer Publikation aus unserer Kampagne im grünen blatt. Unter der Überschrift "Tar Sands": Nachhaltige Zerstörung von Urwäldern und Feuchtgebieten, Enteignung indigener Menschen und größter Einzelverursacher des Treibhauseffekts erscheint dort seit Anfang 2013 eine fortlaufende Artikelserie mit Hintergrundinformationen zu den Tar Sands.

Dieser Auszug ist Teil 8 der Artikelreihe entnommen. Weiterverwendung und Verbreitung unter Angabe der Originalquelle (grünes blatt) oder unserer Kampagne ist erwünscht!