Widerstand gegen die Tar Sands-Industrie in Nordamerika

Aus Tar Sands-Kampagne
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Ein stetig wachsendes Netz aus Pipelines verläuft vom Abbaugebiet in Alberta zu den Küsten und in den Süden, um die Tar Sands zu weiteren Verarbeitungsorten zu transportieren. Der nordamerikanische Widerstand gegen die Tar Sands-Industrien wird vor allem von den Protesten gegen die Pipelines, die das produzierte synthetische Rohöl quer durch den Norden des Kontinents transportieren, da hierbei das Land und somit die Lebensgrundlage der jeweiligen lokalen Bevölkerungen durchkreuzt wird und diese somit beispielsweise Landwirte, Fischer usw. gefährden. Die indigene Bevölkerung, die oft noch in Reservaten lebt und gesellschaftlich relativ ausgeschlossen ist, ist insbesondere der Natur- und Lebensraumzerstörung durch Pipelineleckagen ausgesetzt. Der Ausbau der Tar Sands-Industrien hat bereits das Wasser der Indigenen in Alberta und darüber hinaus kontaminiert und die geplanten weiteren Tar Sand-Pipelines, -Züge und -Tanker bedrohen die Wasserreserven vieler weiterer indigener Communitys in ganz Nordamerika.

Die indigene Bevölkerung ist auch auf Grund der historisch verwurzelten und bis heute praktizierten Diskriminierung und Ausgrenzung von den klimatischen und ökologischen Folgen des Klimawandels und der Zerstörung durch die Ölindustrie besonders betroffen, da sie meist vom Land leben wollen und müssen und somit auch ihre Lebensgrundlage zerstört wird. Durch die Zerstörung der Natur und das damit einhergehende Sterben von Pflanzen und Tieren trifft direkt in das Herz der indigenen Kulturen.[1]

Die Formen des Widerstandes der Indigenen und Umweltschützer*innen gegen die Pipelines reicht von Demonstrationen, Blockaden bis hin zu Klagen vor Gericht gegen die Energiekonzerne. Im Juni 2016 hatten sie unter anderem mit letzterem Erfolg, denn das Federal Court of Appeal widerrief die bisherige Genehmigung zum Bau der "Northern Gateway"-Pipeline. Mit dieser Pipeline sollen täglich bis zu 525.000 Barrel Tar Sands-Öl von Albertas Abbaugebieten an die nördliche Pazifikküste transportiert werden. Da die betroffenen Unternehmen gegen diese Entscheidungen klagen, wird sich der Kampf fortsetzen.[2]

Große Proteste gab es in den letzten Jahren auch gegen die geplante "Keystone XL"-Pipeline, welche synthetisches Tar Sands-Öl von Alberta nach Nebraska transportieren soll und nebenbei auch gleich gefracktes Öl aus Montana mitnähme. Nach sieben Jahren Protest wurden die Pläne zu Keystone XL auf Eis gelegt, denn US-Präsident Obama verkündete im November 2015 das Ende der Pipeline. Dies war ein großer Erfolg für die Klimabewegung, die nun gegen weitere Pipelinepläne von TransCanada, dem Konzern hinter Keystone XL, kämpft. Der Konzern TransCanada ist dennoch zuversichtlich, dass die Pipeline noch gebaut wird, denn er reichte gegen diese Entscheidung Klage ein.

Die Kämpfe gegen die Pipelines davon unabhängig weiter. Beispielsweise gegen den Plan die Pipeline "Energy East" zu bauen, welche Tar Sands-Öl durch das Land 150 indigener Communitys 4.600 Kilometer an die Küste transportiert würde, um es dann weiter mittels hunderter, riesiger Tankerschiffe die atlantische Küste entlang nach Texas und Louisiana zur weiteren Verarbeitung in Raffinerien zu transportieren.[3]

Um den gemeinsamen Widerstand gegen die Ölkonzerne zu bündeln und zu stärken, haben sich im Oktober 2016 85 indigene Communitys zu einer Allianz zusammengefunden und ein Abkommen beschlossen, womit sie als rechtmäßige Verwalter ihres Landes auftreten. Das Ziel ist gemeinsam weitere Pipelines, Tanker oder Zugunfälle mit dem Öl zu verhindern sowie die weitere Expansion der Tar Sands-Industrien zu stoppen, welche neben der Lebensraumzerstörung auch eine immense Gefahr für das Klima darstellt.[4]

"Wir wollen Pipelines und Infrastruktur für Menschen und Gemeinschaften - nicht für Ölkonzerne, die unser Wasser vergiften und zum Klimawandel beitragen, der unseren Planeten zerstört. Unsere indigenen Gemeinschaften brauchen saubere Wasserrohre – nicht Ölrohre." (Winona Laduke, indigene Aktivistin und Direktorin der Organisation "Honor the Earth")

"Kanada sieht sich selbst als Menschenrechtsanführer, ungeachtet der Art und Weise wie die Regierung und die Konzerne die indigene Bevölkerung behandelt haben, zu Hause und im Ausland," meint Winona Laduke von Honor the Earth. "Wieder einmal sehen wir jetzt bei den Auseinandersetzungen um Standing Rock wie der kanadische Konzern Enbridge unsere Stammesmitglieder in den USA verletzt. Lasst uns nicht vergessen, dass Enbridge für die größte Inlandpipelinekatastrophe der US-Geschichte verantwortlich ist, als über 4 Millionen Liter giftige, verdünnte Teersande in den Kalamazoo-Fluss in Michigan geflossen sind, und jetzt hoffen Enbridge und Kanada mit der vorgeschlagenen Pipeline 3 sogar noch mehr Teersande nach Minnesota transportieren zu können. Aber diese Pipeline wird genauso wenig durchkommen."

Im Oktober 2016 gelang es Aktivist*innen die größten Tar Sands-Pipelines von Kanada in die USA zu schließen. Durch die Aktion und die damit einhergehende zeitweilige Unterbrechung gelang es mehr als zwei Millionen Barrel pro Tag durch die vier größten Pipelines zu verhindern.

In Minnesota nutzten Aktivist*innen Bolzenschneider an den Ventilen einer Enbridge-Pipeline, die aus Alberta kommt, um die Pipeline lahmzulegen. In Montana nahmen sich Protestierende ebenfalls das Ventil vor und unterbrachen so den Betrieb der Pipeline, so dass die Produktion von TransCanada herunter gefahren werden musste. Insgesamt haben diese Eingriffe kaum einen materiellen Einfluss auf das Transportvolumen der Ölindustrie, aber der koordinierte Schlag gegen verschiedene sehr große transnationale Ölpipelines war ein gelungener PR-Coup. Die Aktionen illustrierten gleichzeitig das sich verschlechternde gesellschaftliche Klima für die Ölkonzerne.

Die nordamerikanische Umweltschutzbewegung hat sich weiter entwickelt und ist gewachsen. Dieser Effekt reicht bis nach Washington. Statt jahrelang zu warten, wie es beim Kampf gegen die Keystone XL Pipeline war, versuchte die Obama-Regierung das Problem des Protests gegen die Dakota Access-Pipeline im Keim zu ersticken, als sie darum bat, den Bau erst einmal freiwillig einzustellen. In Kanada erhöhten Aktivist*innen den Druck auf Premierminister Justin Trudeau und forderten, dass er einige riesige Pipelineprojekte stoppt, die das synthetische Tar Sands-Rohöl von Alberta zu den internationalen Märkten, u.a. Europa und China, bringen soll.

Mit dem weiteren Ausbau fossiler Energieträger in Nordamerika gibt es keinen Mangel an Themen für die Bewegung. Sie wächst und und die Zeiten, in denen sich Regierungen und Konzerne über die Rechte der Indigenen einfach hinwegsetzen können, ohne auf Widerstand zu stoßen, scheinen der Vergangenheit anzugehören.[5]

Enbridge, der Konzern hinter der Northern Gateway-Pipeline, hat im August 2016 über ihr Subunternehmen Enbridge Energy Partners für 1,5 Milliarden US-Dollar mehr als ein Viertel der Anteile des Pipelinesystems gekauft, das auch das Dakota Access-Projekt und andere Pipelines beinhaltet.[6]

Kleiner Exkurs zur #NoDAPL-Bewegung

Den größten Widerstand gegen diese Energiekonzerne gab es bisher in North Dakota, wo bis zu 1.200 Aktivist*innen, Sioux und Unterstützer*innen gegen den Bau der Dakota Access-Pipeline (DAPL) protestierten. Diese soll durch das Stammesland der Sioux verlaufen, wo neben dem kulturellen Erbe der Indigenen wie heiligen Ahnenstädten auch der Fluss Missouri, eine wichtige Wasserquelle für Millionen Menschen, durchquert werden soll. Die DAPL soll gefracktes Öl transportieren; sie beginnt in North Dakota und verläuft durch die Flüsse Missouri und Mississippi, bevor sie in einem Öltankerfeld in Pakota, Illinois, endet. Es gibt Pläne diese dann weiter bis in den Golf von Mexiko auszubauen.

Auch dieses Vorhaben nimmt die Bevölkerung nicht widerstandslos hin. Die Proteste gegen die DAPL sind so gewachsen, dass es sich inzwischen um die größte indigene Mobilisierung der letzten 150 Jahre handelt, denn diese Angelegenheit hat über 200 Communitys wiedervereinigt. "Als das Seven Fire Council, was nun wieder tagt, das letzte Mal 1867 zusammen kam, besiegten sie die amerikanischen Streitkräfte in der Schlacht um Little Big Horn", sagt die Aktivist*in Janaya Khan. Es geht nicht mehr nur um den Schutz der Natur und Lebensräume, sondern auch um die Rechte der indigenen Bevölkerung, die durch die Politik der Konzerne und Regierungen mit den Füßen getreten werden.

Ausblick 2017

Die Kämpfe gegen die Pipelines und Tar Sands-Industrie haben das Potenzial im Jahr 2017 weiter zu wachsen, wenn beispielsweise der Kinder Morgan-Konzern die gerichtliche Baugenehmigung erhält, die TransMountain-Pipeline durch Teile Albertas and British Columbias bauen zu dürfen. Der Konzern und die Polizeibehörden bereiten sich schon jetzt gemeinsam auf etwaige Proteste vor. Schon jetzt gibt es Kinder Morgan gegenüber viel Kritik von den Bürgermeistern aus Burnaby und Vancouver sowie einiger First Nations, die sich nicht ausreichend in die Prozesse über das 6,8 Milliarden Dollar-Projekt einbezogen fühlen. Einige First Nations finden auch, dass sie ein Veto-Recht diesbezüglich haben, da es über ihr Land verläuft. Ein wichtiger Faktor für das Wachstum dieser Protestbewegungen scheinen die Sozialen Medien zu sein, denn laut einiger Industriebeobachter wie Michael Tran ist das Ansteigen der Pipeline-Proteste und ihre zunehmende Schärfe auf die vermehrte Nutzung dieser zurück zu führen.[7] Dieser Prozess ist global zu beobachten, beispielsweise bei den Protesten des "Arabischen Frühlings" oder um den Gezi-Park in Istanbul. Problematisch ist allerdings, dass diese Sozialen Netzwerke überwacht und ausgewertet werden und auch eine gewisse Abhängigkeit entsteht, da diese Netzwerke auch einfach abgeschaltet werden können, wie beispielsweise in der Türkei und Ägypten geschehen.

"Es gibt einen Kampf, der überall von Indigenen und ihren Unterstützern für einen gesunden Planeten für zukünftige Generationen geführt wird. Es geht um Wasser gegen Öl, Leben gegen Tod", sagt Grand Chief Stewart Phillip, Präsident der Union von BC Indian Chiefs.



Diese Seite ist ein Auszug einer Publikation aus unserer Kampagne im grünen blatt. Neben der Artikelreihe unter der Überschrift "Tar Sands": Nachhaltige Zerstörung von Urwäldern und Feuchtgebieten, Enteignung indigener Menschen und größter Einzelverursacher des Treibhauseffekts erscheinen dort unregelmäßig immer wieder weitere Artikel aus dem Umfeld der Tar Sands-Kampagne.

Dieser Auszug ist Ausgabe 2017-01 des grünen blatts entnommen. Weiterverwendung und Verbreitung unter Angabe der Originalquelle (grünes blatt) oder unserer Kampagne ist erwünscht!