Zertifikate

Aus Tar Sands-Kampagne
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Problematisch an den erwähnten Zertifikaten, die von Albertas Regierung nach "erfolgreicher" Renaturierung ausgestellt werden, ist der Expertin Joyce Hildebrand von der Alberta Wilderness Association zufolge, dass es nicht mehr möglich ist, Umweltschutzauflagen (Environmental Protection Order - EPO) für Flächen zu erlassen, die bereits das Zertifikat erhalten haben. Diese behördlichen Anweisungen sollen normalerweise ökologischen Schaden abwenden oder vermindern helfen, indem einer Person oder einem Unternehmen bestimmte Aktionen innerhalb eines festgelegten Zeitraums auferlegt werden.[1]

Ein aus Lobbysicht unglücklicher Nebeneffekt der Zertifizierung ist, dass von unabhängigen Stellen oft nur solche Flächen als renaturiert anerkannt werden, die das staatliche Label haben. Das finden die Unternehmen irgendwie unfair, wo sie sich doch mit Zahlen darstellen wollen, die 50mal höher liegen.[2] Diese Flächen erfüllen zwar die laxen gesetzlichen Vorgaben noch nicht, aber sollen in der PR schon gewinnbringend eingesetzt werden. Dass die Regierungen Albertas und Kanadas neutral seien, glaubt sowieso niemand, immerhin betreiben sie mindestens so aggressive Propaganda für die Tar Sands wie die Industrie selbst.

Und so verwundert es nicht, dass die Provinzregierung 2009 neue Definitionen einführte, die den Interessen der Unternehmen entgegen kommen. Höchste Kategorie sind weiterhin die zertifizierten Renaturierungsflächen (104 Hektar). Neu sind sogenannte "permanent renaturierte Flächen", die Areale umfassen, wo Landschaftsformung, Auffüllung mit Erde und Anpflanzungen erfolgt sind, aber noch nicht nachgewiesen wurde, dass lokale Spezies in den künstlichen Lebensraum eingezogen sind und sich dort auch erhalten (Ende 2012: 5.042 Hektar). Solche Gebiete, wo es erste Teilmaßnahmen zur Renaturierung gab, die noch nicht abgeschlossen wurden und teils noch industriell genutzt werden könnten, werden "temporär renaturiert" genannt (Ende 2012: 1.227 Hektar) - was auch immer das mit Naturwiederherstellung zu tun haben soll. Noch geringer ist die neue Kategorie "Soils Placed" (eine direkte Übersetzung könnte hier leicht tendenziös wirken, daher auf englisch) - da wurde also nur Erde aufgefüllt, sonst nichts (Ende 2012: 1.447 Hektar). Und am schönsten, weil aussagelosesten, erscheint die Rubrik "Fertig zur Renaturierung", das bedeutet, dass die industrielle Nutzung beendet ist, aber nix getan wurde (372 Hektar). Demgegenüber werden für den gleichen Zeitraum die Zerstörungskategorien "Kahlschlag" mit 20.435 Hektar und "beeinträchtigt" (was als schwererer Eingriff gemeint ist) mit 55.902 Hektar angegeben.[3] Neu ist auch ein Internettool, das implementiert wurde, um es den Unternehmen leichter zu machen, die noch nicht zertifizierbaren Flächen bereits öffentlichkeitswirksam werden zu lassen: Im "Oil Sands Information Portal" visualisiert eine dynamische Karte das Ausmaß dieser Industrie - standardmäßig werden alle von den Ölunternehmen als renaturiert behaupteten Flächen in nur geringfügig variierenden Grüntönen angezeigt - so werden da die neuen Kategorien "temporäre", "permanente" und "zertifizierte" Renaturierungsflächen dargestellt. Deaktiviert mensch dagegen die neu eingeführten Vorstadien, so bleibt nur ein einziges winziges formal anerkanntes Gebiet übrig.[4]

Ein anderer interessanter Aspekt der fehlenden Zertifizierung scheint zu sein, dass die Ölkonzerne gern so lange wie möglich die Hand auf den ausgebeuteten, den indigenen Communitys in der Regel ohne viel Federlesen entwendeten Gebieten halten will. Suncor erwähnt als Rechtfertigung, warum es nur so wenige zertifizierte Flächen gäbe, dass mit dem Zertifikat zwangsläufig das Ende des Pachtverhältnisses einhergeht - das privatwirtschaftliche Privileg also verloren wäre. Viele dieser Flächen befinden sich nahe oder innerhalb aktiver Tar Sands-Operationen, und öffentlicher Zugang sei dann ja eine "Gefahr für die öffentliche Sicherheit" sorgt sich das Unternehmen rührend und völlig uneigennützig ...[2]

Und weil das ein ernstes Problem für die PR-Arbeit der Industrie zu sein scheint, schlägt Chef-Lobbyist Don Thompson von der Oil Sands Developers Group, ein schmieriger Tar Sands-Promoter, der die Fakten so darstellt, dass sie gut klingen, und die negativen Aspekte ignoriert, in einer Präsentation vom Oktober 2009 vor, einen neuen "interim-Zertifizierungsprozess" für Land, das renaturiert, aber nicht zurück gegeben wurde, einzuführen. Der behauptet in der selben Präsentation doch glatt, dass die nicht-zertifizierten Renaturierungsflächen den angrenzenden natürlichen Borealen Wäldern vergleichbare Wildtier-Habitate und Funktionen bereitstellten. Weiter rechnet er vor, dass eigentlich die sozialen Vorteile aus den Tar Sands-Gewinnen die angeblich vorübergehende Beeinträchtigung mehr als nur ausgleichen würden.[5]


  1. Joyce Hildebrand: Reclamation Illusions in Oil Sands Country; Alberta Wilderness Association; Juni 2008
    http://albertawilderness.ca/download/file/fid/1210 - gesichtet 14. Februar 2015
  2. 2,0 2,1 http://sustainability.suncor.com/2014/en/environment/reclamation.aspx - gesichtet 14. Februar 2015
  3. http://www.oilsands.alberta.ca/FactSheets/Reclamation_FSht_Sep_2013_Online.pdf - gesichtet 14. Februar 2015
  4. http://osip.alberta.ca/map/ - gesichtet 14. Februar 2015
  5. http://www.oscaalberta.ca/wp-content/uploads/2013/10/Facts-on-Oil-Sands-Reclamation-October-2009.pdf - gesichtet 14. Februar 2015


Diese Seite ist ein Auszug einer Publikation aus unserer Kampagne im grünen blatt. Unter der Überschrift "Tar Sands": Nachhaltige Zerstörung von Urwäldern und Feuchtgebieten, Enteignung indigener Menschen und größter Einzelverursacher des Treibhauseffekts erscheint dort seit Anfang 2013 eine fortlaufende Artikelserie mit Hintergrundinformationen zu den Tar Sands.

Dieser Auszug ist Teil 7 der Artikelreihe entnommen. Weiterverwendung und Verbreitung unter Angabe der Originalquelle (grünes blatt) oder unserer Kampagne ist erwünscht!